Wundertätige Marienstatue zu Wickershain
und die Wallfahrten
von Kirchner Ralf Niemann, Geithain
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts
hatte sich die Kirche durch ein angeblich wundertätiges Marienbild
einen "nicht gemeynen", d. h. einen ungewöhnlichen
Ruf erworben. Er bezieht sich auf eine aus Lindenholz geschnitzte
Marienstatue, auf die später noch einzugehen sein wird. Aus
dieser Zeit stammen auch drei Wappenschilde am Westgiebel. Sie sind
jetzt durch das Pultdach über dem Haupteingang verdeckt.
Die wundertätige Marienstatue
war Anlas für zahlreiche Wallfahrten nach Wickershain (Geithain)
in die Marienkirche..
1422 erteilte Papst Johann XXIII.
einen 40 tägigen Ablass für die Wallfahrer nach Wickershain.
Sicherlich geschah dies, um Spenden für einen notwendigen Kirchenneubau
anzuregen. In einer Ausfertigung dieser Bulle, die Bischof Nikolaus
von Merseburg am 24. März 1423 veranlaßt hatte, heißt
die Kirche "extra muros Gytan" also außerhalb der
Mauern Geithains gelegen.
1424 schließlich begann zunächst einmal
der Neubau des Chores, der in schönem spätgotischem Mauerwerk
ausgeführt wurde.
1425, am St. Andreastag (30.
November) erging wiederum von Bischof Nikolaus von Merseburg ein
Kollektenbrief, ein Sammelaufruf für den neuen Chor und die
Anschlussmauer an den Turm. Diese Mauer ist noch heute gut zu erkennen.
Der Kollektenbrief hatte ein Jahr lang Gültigkeit. Mit Hilfe
eines weiteren Kollektenbriefes durch Bischof Johann von Merseburg
und das Privileg des Papstes Martin V. wurde 1441 die Überwölbung
des Chores ermöglicht.
Wallfahrtstag war das Fest der Heimsuchung Mariä, der 2. Juli.
Die Rippen des Chorgewölbes
sind als Birnenstab mit Kehle ausgebildet. Unter den Gewölbeanffingen
ragen nur zum Schmuck, aber ohne tragende Funktion, Männer
und eine Frau als Halbplastiken mit Spruchbändern hervor, hinter
dem Altar sind es ein Engel und ein Adler. Der Chorbau gehört
der Blütezeit der Rochlitzer Bauhütte an.
Im Jahre 1470 fügten die
Kardinäle dem bisherigen vier neue Wallfahrtstage mit neuen
Vergünstigungen hinzu - 100 Tage Ablas für die Wallfahrer
für "immer währende Zeiten".
So erhielt man bis 1475 die Mittel,
das Vorderschiff nördlich und südlich zu erweitern und
zu erhöhen, die drei Vorhallen und das Treppentürmchen
am Westgiebel anzulegen. Über der Südpforte, nach mündlicher
Überlieferung der "Narsdorfer Eingang", ist eine
Jahreszahl in römischen Zahlen eingeschlagen, MCCCCLXXV also
1475, sie bezeichnet wohl den Abschluss dieser Bauarbeiten.
Die ursprüngliche Länge
der Kirche wurde nicht verändert. Die nördliche Vorhalle
ist der heutige "Neumärkter Eingang". Auf einem Wappenstein
in dieser Vorhalle ist der Namen Patrona-Marie eingemeißelt.
Die Ratsempore an der nördlichen
Turmwand mit Zugang von außen entstand 1519. Auch dieser Zugang
ist noch heute sichtbar.
Überliefert ist, daß
der berühmtberüchtigte Ablasskrämer Tetzel auch hier
eine Wirkungsstätte hatte.
Mit Einführung der Reformation, in Geithain 1539, ist als erster
evangelischer Diakon Jakob Cellarius nachweisbar. Ablasspredigten
gab es nun nicht mehr, aber der Ablass blieb in der Erinnerung noch
tief verwurzelt. Am Tag Mariä Heimsuchung 1592 erfahren wir
erstmals in nachreformatorischer Zeit von einer Ablassfeier.
|