Aktualisiert am 24-Sep-2004  
   
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Grabmal der Familie Guenther  
   
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Die Paul- Guenther - Schule in Geithain feiert nächstes Jahr Ihr 80 jähriges Bestehen. Zu Kindheit und Jugend des Schulstifters informiert ein kurzer Auszug aus "Geithain Journal, Beiträge zur Schul- und Stadtgeschichte" von Dr. Gottfried Senf (senfg@aol.com):

Paul Guenther - Kindheit und Jugend

Besucher der Geithainer Stadtbibliothek haben es sicher schon festgestellt: Der Blick aus den Fenstern des oberen Stockwerkes hinunter auf die Grünanlagen zwischen Leipziger und Nicolaistraße, mit Kirche und Stadttor im Hintergrund, ist faszinierend. Und das nicht nur im Mai, wenn die Magnolienbäume blühen oder am Vormittag, wenn die Morgensonne die Geithainer Unterstadt in ihr Licht taucht.

"Geithain- das sächsische Rothenburg o.d. Tauber" -so wurde in den dreißiger Jahren auf einer Ansichtskarte für unsere Stadt geworben! Und der ehemalige Geithainer Lehrer Kurt Klein nennt Geithain "eine Perle unter den sächsischen Kleinstädten." Der Winkel unten am Stadttor, mit Kantorgasse, Kirchtürmen und Kirchhof hat seine Romantik bewahrt!

Hier "an der Heißte", im Haus Leipziger Straße 23, wurde Paul Guenther am frühen Morgen des 13. Mai 1860 geboren. Bruno Guenther und die junge Mutter Therese waren typische Vertreter der Ackerbürgerstadt Geithain. Der Handwerker hatte meist noch ein kleines Stück Land in Bewirtschaftung. Vielleicht deshalb wird in amerikanischen Quellen oft Landwirt als Beruf des Vaters von Paul Guenther angegeben. Weber ist sicher treffender. Und diese Zunft war ja in Geithain seit vielen Jahrhunderten weit verbreitet. In diesem Beruf und in der "Textilgegend" um Limbach/Chemnitz liegen auch die Wurzeln für den späteren Werdegang unseres neuen Erdenbürgers Johannes Paul Guenther.

Kindheit im damaligen Geithain!

Die Straße vor der Tür, ein paar Schritte stadteinwärts die "Entenpfütze" und hinterm Stadttor der Hospitalteich - was für ein Spielparadies! Das Verfüllen der Entenpfütze, die Einweihung des Kriegerdenkmals und das Entstehen der Anlagen in der Unterstadt erlebt der Zehn/Zwölfjährige. Es spielt sich ja alles vor seiner Haustür ab. Aber noch eine andere, viel aufregendere Sache passiert! Die neue Eisenbahnstrecke von Leipzig über Borna nach Chemnitz berührt Geithain. Draußen auf dem "Pflanzberge" entsteht der Bahnhof. Eine ganz neue Straße führt von dort in die Stadt. Der Sumpf dazwischen wird mit einem hohen Damm aufgefüllt. Ein völlig neuer Stadtteil entsteht im Norden. Später nennt man diese Zeit in Deutschland "die Gründerjahre." Der aufgeweckte Knabe Paul Guenther hat mit seinen Schul- und Spielkameraden das alles mehr oder weniger bewußt aufgenommen. Zusammen mit seinen Schulkameraden stand er am Spätnachmittag des 12. Juli 1870 auf dem Geithainer Marktplatz, als König Johann von Sachsen in Geithain eintraf. Natürlich gehörte auch sein Vater als Mitglied des Geithainer Schützenvereines zu den Versammelten auf dem Markt.


Bild : Der Knabe Paul Guenther neben Vater Bruno, um 1872

Als die neue Schule (das spätere Landratsamt in der Bahnhofstraße) 1877 eingeweiht wurde, war Paul Guenther schon ein junger Bursche von 17 Jahren! Er ahnte nicht, daß ihn 46 Jahre später ein Brief aus seiner alten Heimat erreichen wird, in dem von großer Schulraumnot in Geithain die Rede sein wird.

Der Sohn tritt in die Fußstapfen des Vaters und geht in die Textilbranche. Aber Geithains große Zeiten, da die Stadt ein Zentrum der sächsischen Leinwandproduktion war und über die Leipziger Messe Geithainer Leinwand bis nach Spanien und Italien exportiert wurde, liegen lange zurück. In der Chemnitzer Gegend werden die Ausbildungsmöglichkeiten sicher besser gewesen sein und auch die Chancen, später Arbeit zu finden, waren dort wesentlich größer. Textilindustrie und Textilmaschinenbau, insbesondere auch die Strumpfwarenproduktion, entwickeln sich in rasanter Weise. Kein Wunder, daß der Vater den Sohn dorthin zur Ausbildung gibt. Ein Unterkommen bei Verwandten ist auch gesichert. So besucht Paul Guenther nach der Konfirmation die Wirkschule in Limbach.


Bild : Paul Guenther (links) in seiner Chemnitzer Zeit
zu Besuch in Geithain, rechts Therese Guenther, um 1883

Die Originale beider Bilder sind im Besitz von Werner Pechstein. Sie gehören sicher zu den ganz wenigen Bildern zum Geithainer Alltag, die noch aus der "Frühzeit der Fotografie" stammen. Vor 1900 war das Fotografieren noch etwas sehr Seltenes. Dass von den wenigen Bildern einige bis in unsere Tage erhalten geblieben sind, verleiht den beiden obigen Fotos einen zusätzlichen Reiz!


Das ehem. Elternhaus von Paul Guenther heute

Paul Guenther blieb auch nach der Lehre in der Gegend um Chemnitz. Er wohnte und arbeitete vom November 1880 bis Mai 1884 in Thalheim. Während der Limbacher Ausbildungszeit wohnte er in Chemnitz bis August 1880. Alle Anschriften konnten über das Stadtarchiv Chemnitz ermittelt werden. 1884 zog er wieder nach Chemnitz. Auch von dort liegen inzwischen alle Wohnanschriften bis zu seiner Auswanderung im Februar 1890 vor. Die Abmeldung nach New York sowie die Übergabe des Passes erfolgten am 4. Februar 1890.

Ältere Geithainer erinnerten sich an Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern. In den Jahren des Schulbaues um 1924 beherrschte natürlich das Thema "Paul Guenther" die Stadtgespräche! "Aus dem wird nichts!" soll man in den ersten Jahren nach seiner Auswanderung gesagt haben. Sicher war der junge Guenther nicht bequem und keinesfalls besonders angepaßt. Vielleicht spürte er die materielle und geistige Enge seiner kleinstädtischen Umgebung. Ob die Auswanderung 1890 ein spontaner oder lange vorbereiteter Schritt war, ob die Eltern die Pläne des Sohnes kannten, ob sie überrascht wurden, ob und wie sie ihn beraten haben - diese Fragen sind noch offen. Wir wissen heute aber, daß etliche Thalheimer bereits vor 1890 nach Dover ausgewandert sind.

Nach den schwierigen Anfangsjahren gelang Paul Guenther der erfolgreiche Aufstieg zum größten Strumpfproduzenten der USA. In Dover/N.J. gilt er auch wegen seiner großzügigen Förderung des Gesundheits- und Bildungswesens als "großer Amerikaner". Seiner Heimatstadt Geithain schenkte er 1925 eine Schule, die über viele Jahre zu den modernsten Schulbauten Sachsens zählte.

 


 
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