Die Geithainer bauten sich 1955
ihr neues Kino
von Gudrun Haberkorn
Bevor das damalige neue Kino in der heutigen Louis-Petermann-Straße
entstand, fanden Kino- und andere kulturelle Veranstaltungen im
Saal des damaligen Hotels "Haus Altenburg" statt. Das Bedürfnis
nach kultureller Unterhaltung war in den Jahren nach dem 2.Weltkrieg
besonders groß. Ein Fernsehgerät gab es damals in noch keinem Haushalt
und so war es nicht verwunderlich, dass bei allen Veranstaltungen
Andrang herrschte. Besonders an den Wochenenden musste man sich
nach Kinokarten anstellen. Die Eintrittspreise waren gering und
für jeden erschwinglich. Die Platzkapazität reichte nicht aus, auf
den Stühlen saß man unbequem und die Vorführgeräte waren veraltet.
Es geschah nicht selten, dass die Filme rissen und die Vorführung
dadurch unterbrochen werden musste.
So war es nicht nur die Propaganda, die die Geithainer zur Mitarbeit
am Bau ihres neuen Kinos begeisterte_ Die Geithainer bauen ihr Kino",
mit diesen Worten eröffnete am 5. Februar 1955 Genosse Frenzel,
Sekretär der SED Kreisleitung, den ersten freiwilligen Großeinsatz
zum Bau des Lichtspieltheaters. So konnte man in der LVZ vom 9.
Februar 1955 lesen.
Es war ein festliches Beginnen" (LVZ vom 11. Februar 1955). "Als
Genosse Frenzel den ersten Spatenstich getan hatte, gingen alle
freiwilligen Helfer an die Arbeit. Die ersten 276 freiwilligen Aufbaustunden
am Kinobau in Geithain wurden am Sonnabendnachmittag geleistet.
Mit Musik, Hacke, Schaufel, Beil und Säge zogen 70 Aufbauhelfer
zur Baustelle an der Pestalozzistraße. Es war ein festliches Beginnen.
Sägen kreischten, Äxte sausten in das Holz und Baum für Baum stürzte.
Bald war der Platz erkennbar, wo das Kino wachsen wird."
Für jüngere und zugezogene Geithainer ist es wohl kaum vorstellbar,
dass auf dem Gelände der heutigen Louis-Peterrnann-Straße und Hospitalstraße
einmal Gärten und Felder waren. Zwischen Grimmaischer Straße und
Bahnhofstraße gab es nur einen Verbindungsweg durch die Gärten,
der wegen des Schwarzen Kiesbelages der "Schwarze Weg" genannt wurde.
Nach einem Jahr seit Baubeginn schreibt die LVZ in einem Zwischenbericht
am 13. Januar 1956 u. a.: "Durch die gute Arbeit, vornehmlich der
Maurer, Zimmerleute und Poliere bot der Bau sein endgültiges Bild.
Zahlreiche Einwohner halfen beim Bau mit. Aber leider nicht alle,
die es versprochen hatten. Eine kurze Zwischenbilanz ergibt, dass
von den 8000 Stunden, zu denen sich die Geithainer verpflichtet
hatten, bis heute nicht einmal die Hälfte Wirklichkeit geworden
ist. Eine beschämende Bilanz, denn was man verspricht, muss man
halten."
Wenn man in vorherigen Berichten liest, dass manche jugendliche
sich zu je 100 Aufbaustunden verpflichtet hatten, so wird einem
klar, dass die 8000 Stunden freiwillige Verpflichtung schnell zustande
kamen und kaum erfüllt werden konnten, denn welcher Schüler und
jugendliche konnte vorher einschätzen, was für eine Anstrengung
100 Arbeitsstunden bedeuten. Dabei musste man noch bedenken, dass
die technischen Hilfsmittel mit denen heute nicht zu vergleichen
waren. Körperliche Arbeit herrschte vor. Trotzdem war es nach einem
Jahr seit Beginn des Baues geschafft und die Geithainer konnten
am 3. März 1956 ihr Kino in Besitz nehmen. Das neue Kino war modern
und geschmackvoll gestaltet. Die LVZ vom 7. März 1956 schreibt dazu:
"Die Baukosten beliefen sich auf insgesamt 575 000 DM. Durch die
Mithilfe der Bevölkerung im Nationalen Aufbauwerk wurden 5650 freiwillige
Stunden geleistet. Dadurch gelang es annähernd
14 000 DM einzusparen. Hierbei sind neben anderen besonders die
Belegschaften der Kreissparkasse Geithain und des Klinkerwerkes
Narsdorf zu nennen. Waren die Angestellten der Sparkasse oft mit
Spaten und Hacke auf der Baustelle zu finden, so leisteten die Arbeiter
und Angestellten des Klinkerwerkes ihren Beitrag mit 13 000 Dachziegeln
und 10 000 Klinkern. Die Handwerker der Kreisstadt brachten durch
freiwillige Leistungen acht Prozent der Gesamtkosten auf.
In erster Linie gilt der Dank aber den Bauarbeitern, Zimmerleuten
und Handwerkern, den Aktiven des Baues. Sie alle ließen nichts unversucht,
um den Geithainern ihr neues Kino so schnell wie möglich zu übergeben.
In diesem Sinne wandten sich bei den Festlichkeiten am Nachmittag
und Abend des 3. März der Leiter des VEB Kreislichtspielbetriebes
Willim und der Vorsitzende des Rates des Kreises Merres, an die
eingeladenen Gäste, Bauarbeiter und Handwerker, die am Bau beteiligt
waren: In unser aller Namen wird den Bauleuten und Handwerkern Dank
ausgesprochen, die keine Minute ungenutzt ließen, um die Mauern
höher zu bringen, um, wie die Handwerker Löffler und Neubert mit
viel Fleiß und geschickter Hand anlegten, um dem prachtvollen Bild
den rechten Rahmen zugeben."
Der Bauleiter übergab dem Leiter des Kreislichtspielbetriebes
Leo Schulz das neue Kino. Man hatte Leo Schulz, der bereits vorher
als Filmvorführer tätig war, die Stelle des Theaterleiters angeboten.
Zur fachlichen Vorbereitung besuchte er einen halbjährigen Lehrgang
in Heringsdorf.
Bevor mit dem Film "Der Teufelskreis" der Spielbetrieb begann,
boten das Kurorchester und die Kulturgruppe des Milchhofes Frohburg
ein festliches Programm zur Einweihung. Das neue Kino wurde von
den Einwohnern Geithains und der Umgebung gut angenommen.
Dabei gab es aber Unterschiede, die in der Herkunft und Handlung
der Filme begründet waren. Während sich die Begeisterung bei sowjetischen-
und DEFA-Filmen in Grenzen hielt, reichten bei Filmen aus der Bundesrepublik,
aus Italien oder Frankreich die Plätze nie aus. Zeugnis darüber
gibt eine LVZ-Notiz vom 19. Juli 1956. Dort steht zu lesen: Die
Karten waren ausverkauft. Als am Dienstag die Kirchturmuhr ihren
Ton acht mal erschallen ließ, standen noch viele Menschen vor den
Toren der Filmbühne Geithain. Gerhard Stein spielte mit seinen Solisten
von 20 bis 21 Uhr vor dem Film 'Die Mädchen vom Amt 04'. Deshalb
nimmt auch nicht Wunder, dass das Haus bis auf den letzten Platz
gefüllt war. Nicht enden wollender Beifall ertönte. als Gerhard
Stein sein Programm mit 'Rosa-Rosa-Nina' beendete. Die Stimmung
wuchs noch, als dann als kleine Zugabe' Tina-Marie', gesungen von
Günther Hapke, erklang. Stimmung war auch bei dem folgenden italienischen
Film, der mit viel Humor das Dienst- und Privatleben von vier Mädchen
schildert." Filme aus kapitalistischen Ländern waren meist als "nicht
jugendfrei" bezeichnet und erst ab einem Alter von 18 Jahren durfte
man hinein.
Die neue Filmbühne wurde nicht nur für Kinoveranstaltungen genutzt,
sondern es fanden auch Konferenzen, Modeschauen, bunte Veranstaltungen,
Jugendweihefeiern, Konzerte sowie Einschulungs- und Schulabschlussfeiern
statt.
Nachdem sich im Laufe der Jahre jede Familie ein Fernsehgerät angeschafft
hatte, wurden die Kinoveranstaltungen immer schlechter besucht und
manche Veranstaltung musste ausfallen, weil nicht einmal 10 Besucher
gekommen waren. Der Kinobesuch wurde Mitte des Jahres 1990 eingestellt
und per 01.01.1992 wurde das Haus, welches seit 1964 auch als Kreiskulturhaus
genutzt wurde, bis zum Umbau zum Geithainer Bürgerhaus ganz geschlossen.
Nach der Umfassenden Renovierung ist es eines der schönsten Veranstaltungsstätten
unserer Region und gestattet auch wieder Filmvorführungen.
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