Aktualisiert am 22-Apr-2004  
   
 
 
   
 
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Die Geithainer bauten sich 1955 ihr neues Kino
von Gudrun Haberkorn

Bevor das damalige neue Kino in der heutigen Louis-Petermann-Straße entstand, fanden Kino- und andere kulturelle Veranstaltungen im Saal des damaligen Hotels "Haus Altenburg" statt. Das Bedürfnis nach kultureller Unterhaltung war in den Jahren nach dem 2.Weltkrieg besonders groß. Ein Fernsehgerät gab es damals in noch keinem Haushalt und so war es nicht verwunderlich, dass bei allen Veranstaltungen Andrang herrschte. Besonders an den Wochenenden musste man sich nach Kinokarten anstellen. Die Eintrittspreise waren gering und für jeden erschwinglich. Die Platzkapazität reichte nicht aus, auf den Stühlen saß man unbequem und die Vorführgeräte waren veraltet. Es geschah nicht selten, dass die Filme rissen und die Vorführung dadurch unterbrochen werden musste.

So war es nicht nur die Propaganda, die die Geithainer zur Mitarbeit am Bau ihres neuen Kinos begeisterte_ Die Geithainer bauen ihr Kino", mit diesen Worten eröffnete am 5. Februar 1955 Genosse Frenzel, Sekretär der SED Kreisleitung, den ersten freiwilligen Großeinsatz zum Bau des Lichtspieltheaters. So konnte man in der LVZ vom 9. Februar 1955 lesen.

Es war ein festliches Beginnen" (LVZ vom 11. Februar 1955). "Als Genosse Frenzel den ersten Spatenstich getan hatte, gingen alle freiwilligen Helfer an die Arbeit. Die ersten 276 freiwilligen Aufbaustunden am Kinobau in Geithain wurden am Sonnabendnachmittag geleistet. Mit Musik, Hacke, Schaufel, Beil und Säge zogen 70 Aufbauhelfer zur Baustelle an der Pestalozzistraße. Es war ein festliches Beginnen. Sägen kreischten, Äxte sausten in das Holz und Baum für Baum stürzte. Bald war der Platz erkennbar, wo das Kino wachsen wird."

Für jüngere und zugezogene Geithainer ist es wohl kaum vorstellbar, dass auf dem Gelände der heutigen Louis-Peterrnann-Straße und Hospitalstraße einmal Gärten und Felder waren. Zwischen Grimmaischer Straße und Bahnhofstraße gab es nur einen Verbindungsweg durch die Gärten, der wegen des Schwarzen Kiesbelages der "Schwarze Weg" genannt wurde.

Nach einem Jahr seit Baubeginn schreibt die LVZ in einem Zwischenbericht am 13. Januar 1956 u. a.: "Durch die gute Arbeit, vornehmlich der Maurer, Zimmerleute und Poliere bot der Bau sein endgültiges Bild. Zahlreiche Einwohner halfen beim Bau mit. Aber leider nicht alle, die es versprochen hatten. Eine kurze Zwischenbilanz ergibt, dass von den 8000 Stunden, zu denen sich die Geithainer verpflichtet hatten, bis heute nicht einmal die Hälfte Wirklichkeit geworden ist. Eine beschämende Bilanz, denn was man verspricht, muss man halten."

Wenn man in vorherigen Berichten liest, dass manche jugendliche sich zu je 100 Aufbaustunden verpflichtet hatten, so wird einem klar, dass die 8000 Stunden freiwillige Verpflichtung schnell zustande kamen und kaum erfüllt werden konnten, denn welcher Schüler und jugendliche konnte vorher einschätzen, was für eine Anstrengung 100 Arbeitsstunden bedeuten. Dabei musste man noch bedenken, dass die technischen Hilfsmittel mit denen heute nicht zu vergleichen waren. Körperliche Arbeit herrschte vor. Trotzdem war es nach einem Jahr seit Beginn des Baues geschafft und die Geithainer konnten am 3. März 1956 ihr Kino in Besitz nehmen. Das neue Kino war modern und geschmackvoll gestaltet. Die LVZ vom 7. März 1956 schreibt dazu: "Die Baukosten beliefen sich auf insgesamt 575 000 DM. Durch die Mithilfe der Bevölkerung im Nationalen Aufbauwerk wurden 5650 freiwillige Stunden geleistet. Dadurch gelang es annähernd
14 000 DM einzusparen. Hierbei sind neben anderen besonders die Belegschaften der Kreissparkasse Geithain und des Klinkerwerkes Narsdorf zu nennen. Waren die Angestellten der Sparkasse oft mit Spaten und Hacke auf der Baustelle zu finden, so leisteten die Arbeiter und Angestellten des Klinkerwerkes ihren Beitrag mit 13 000 Dachziegeln und 10 000 Klinkern. Die Handwerker der Kreisstadt brachten durch freiwillige Leistungen acht Prozent der Gesamtkosten auf.

In erster Linie gilt der Dank aber den Bauarbeitern, Zimmerleuten und Handwerkern, den Aktiven des Baues. Sie alle ließen nichts unversucht, um den Geithainern ihr neues Kino so schnell wie möglich zu übergeben. In diesem Sinne wandten sich bei den Festlichkeiten am Nachmittag und Abend des 3. März der Leiter des VEB Kreislichtspielbetriebes Willim und der Vorsitzende des Rates des Kreises Merres, an die eingeladenen Gäste, Bauarbeiter und Handwerker, die am Bau beteiligt waren: In unser aller Namen wird den Bauleuten und Handwerkern Dank ausgesprochen, die keine Minute ungenutzt ließen, um die Mauern höher zu bringen, um, wie die Handwerker Löffler und Neubert mit viel Fleiß und geschickter Hand anlegten, um dem prachtvollen Bild den rechten Rahmen zugeben."

Der Bauleiter übergab dem Leiter des Kreislichtspielbetriebes Leo Schulz das neue Kino. Man hatte Leo Schulz, der bereits vorher als Filmvorführer tätig war, die Stelle des Theaterleiters angeboten. Zur fachlichen Vorbereitung besuchte er einen halbjährigen Lehrgang in Heringsdorf.

Bevor mit dem Film "Der Teufelskreis" der Spielbetrieb begann, boten das Kurorchester und die Kulturgruppe des Milchhofes Frohburg ein festliches Programm zur Einweihung. Das neue Kino wurde von den Einwohnern Geithains und der Umgebung gut angenommen.

Dabei gab es aber Unterschiede, die in der Herkunft und Handlung der Filme begründet waren. Während sich die Begeisterung bei sowjetischen- und DEFA-Filmen in Grenzen hielt, reichten bei Filmen aus der Bundesrepublik, aus Italien oder Frankreich die Plätze nie aus. Zeugnis darüber gibt eine LVZ-Notiz vom 19. Juli 1956. Dort steht zu lesen: Die Karten waren ausverkauft. Als am Dienstag die Kirchturmuhr ihren Ton acht mal erschallen ließ, standen noch viele Menschen vor den Toren der Filmbühne Geithain. Gerhard Stein spielte mit seinen Solisten von 20 bis 21 Uhr vor dem Film 'Die Mädchen vom Amt 04'. Deshalb nimmt auch nicht Wunder, dass das Haus bis auf den letzten Platz gefüllt war. Nicht enden wollender Beifall ertönte. als Gerhard Stein sein Programm mit 'Rosa-Rosa-Nina' beendete. Die Stimmung wuchs noch, als dann als kleine Zugabe' Tina-Marie', gesungen von Günther Hapke, erklang. Stimmung war auch bei dem folgenden italienischen Film, der mit viel Humor das Dienst- und Privatleben von vier Mädchen schildert." Filme aus kapitalistischen Ländern waren meist als "nicht jugendfrei" bezeichnet und erst ab einem Alter von 18 Jahren durfte man hinein.

Die neue Filmbühne wurde nicht nur für Kinoveranstaltungen genutzt, sondern es fanden auch Konferenzen, Modeschauen, bunte Veranstaltungen, Jugendweihefeiern, Konzerte sowie Einschulungs- und Schulabschlussfeiern statt.

Nachdem sich im Laufe der Jahre jede Familie ein Fernsehgerät angeschafft hatte, wurden die Kinoveranstaltungen immer schlechter besucht und manche Veranstaltung musste ausfallen, weil nicht einmal 10 Besucher gekommen waren. Der Kinobesuch wurde Mitte des Jahres 1990 eingestellt und per 01.01.1992 wurde das Haus, welches seit 1964 auch als Kreiskulturhaus genutzt wurde, bis zum Umbau zum Geithainer Bürgerhaus ganz geschlossen. Nach der Umfassenden Renovierung ist es eines der schönsten Veranstaltungsstätten unserer Region und gestattet auch wieder Filmvorführungen.


 
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